Gemeinschaftsprojekt “Tele-Notarzt” startet den Probebetrieb…

Rettungswache Ochtrup als ein Teststandort für die Telenotarzt-Zentrale Münster...

Die Belastung auf das Rettungswesen in unserem Land nimmt immer mehr zu. Ein Fakt, welcher der Politik bereits seit mehreren Jahren bekannt ist. Sowohl die Auswirkungen des Fachkräftemangels als auch die anwachsende Zahl an rettungsdienstlichen Einsätzen, beispielsweise durch eine immer älter werdenden Gesellschaft mit steigender Morbidität oder die zunehmende Hilflosigkeit der Bevölkerung bei einfachsten medizinischen Themen, haben nicht zuletzt in der Hochphase der Corona-Pandemie deutlich gemacht, das die Resilienz dieses Systems auch Grenzen hat.

 

Mit der Einführung des Notfallsanitäters 2014 als neues Berufsbild im deutschen Rettungsdienst, war der erste Schritt getan eine Entlastung und eine verbesserte medizinische Versorgung herbeizuführen. Eine nun dreijährige Berufsausbildung mit einer umfangreichen medizinischen Ausbildung und die Übertragung von ärztlichen Kompetenzen, wie der eigenständigen Gabe von Medikamenten oder der Durchführung invasiver Maßnahmen, sollten den Rettungsdienst in Teilen revolutionieren. Ein weiterer Schritt in die richtige Richtung stellt nun das Ziel einer flächendeckenden telenotärztlichen Versorgung in ganz Nordrhein-Westfalen dar – mit der Indienststellung der Tele-Notarzt-Zentrale Münster ist nun ein weiterer Meilenstein erreicht worden…

Doch was ist der Tele-Notarzt überhaupt? Bei dem Tele-Notarzt-System handelt es sich um ein rettungsmedizinisches Konzept für die präklinische Patientenversorgung – d.h. für die Versorgung von Notfallpatienten außerhalb eines Krankenhauses – ohne die direkte physische Anwesenheit eines Notarztes oder einer Notärztin. Über eine entsprechend im Rettungswagen verbaute Kommunikations- und Datenaustausch-Technik kann die Rettungswagenbesatzung über eine weite räumliche Distanz Kontakt zu dem Tele-Notarzt (TNA) aufnehmen und zusammen mit diesen die Versorgung des Patienten fortführen. Durch eine direkte Sprachverbindung, einer Echtzeit-Vitaldaten-Übertragung, sowie ggf. über eine Live-Video-Zuschaltung in den RTW ist der TNA in der Lage, Fragen der Besatzung zu beantworten und/oder ärztliche Maßnahmen an diese zu delegieren, wie beispielsweise die Gabe von Medikamenten, welche für die Notfallsanitäter/innen nicht freigegeben sind.

 

Ersetzen soll der TNA das System des bodengebundenen Notarztes bzw. des Notarzteinsatzfahrzeug als solches im Übrigen nicht. Er soll vielmehr dazu dienen, das arztfreie Intervall zu verkürzen, der Rettungswagenbesatzung bei niederschwelligen Fragen und Unklarheiten schnell und unkompliziert zur Verfügung zu stehen, damit die regulären Notärzte auf den Straßen ungehindert bei schwerwiegenderen medizinischen Notfällen – von der Reanimation, über den Kindernotfall bis hin zu schweren Verkehrsunfällen – zum Einsatz kommen können.

 

Am 1. April 2014 nahm der Telenotarzt Aachen damals als erster Standort in Europa nach einer vorausgegangenen Testphase seinen Dienst im dortigen Regelrettungsdienst auf und hat sich derweil als Vorzeigeprojekt für den Rettungsdienst in der gesamten Bundesrepublik entwickelt. So kam es dazu, dass im Frühjahr 2020 das NRW-Gesundheitsministerium ein Konzept zur flächendeckenden Einführung eines Tele-Notarzt-Systems auf den Weg brachte. Der Grundgedanke hierbei – die Bildung von Trägergemeinschaften bestehend aus mehreren Kreisen und kreisfreien Städten. Derzeit existieren in NRW 11 solcher Trägergemeinschaften, welche zusammen eine gemeinsame TNA-Zentrale unterhalten – eine von ihnen ist die Zentrale untergebracht bei der Feuerwehr Münster. Die TNA-Zentrale Münster ist dabei für die Kreise Borken, Coesfeld, Recklinghausen, Steinfurt, Warendorf und für die Stadt Münster selbst zuständig und versorgt zukünftig rund 2 Millionen Menschen. 

Seit dem 1. April diesen Jahres hat die Tele-Notarzt-Zentrale Münster ihren Dienst aufgenommen. Zunächst steht der TNA nur werktags von 08:00 bis 16:00 Uhr zur Verfügung. Ab Anfang 2025 sollen die Dienstzeiten auch auf das Wochenende ausgedehnt werden, bis man hofft im Sommer nächsten Jahres in den 24/7-Betrieb über zu gehen. Grund für diese zunächst nur eingeschränkten Dienstzeiten des TNA ist die noch ausstehende Ausbildung der Notärzte selbst, die diesen Dienst ausüben dürfen und können. Hierfür müssen die angehenden Tele-Notärzte eine entsprechende Weiterqualifizierung durchlaufen. Sie werden zukünftig u.a. durch die Klinik für Anästhesiologie des Universitätsklinikum Münsters gestellt – aber auch betriebsfremde TNA’s sollen bald die Möglichkeit haben ihren Dienst in der TNA-Zentrale Münster abzuleisten.

 

Technisch ausgestattet und dementsprechend an den TNA-Münster angebunden für den nächsten Schritt der Testphase sind derzeit 12 Rettungswagen – pro Mitglied der Trägergemeinschaft zwei Einsatzfahrzeuge. Für den Kreis Steinfurt nimmt die Rettungswache Westerkappeln und die Rettungswache Ochtrup mit jeweils einem der dort stationierten Rettungswagen seit Anfang diesen Monats (03. Juni) teil. Grund für den verspäteten Einstieg waren u.a. Verzögerungen bei dem Einbau der benötigten Kommunikationstechnik.

Die Technik für die vollumfängliche Anbindung an die TNA-Zentrale setzt sich dabei aus einem TNA-Smartphone, einer sogenannten peeqBox (Datenübertragungseinheit fest am EKG verbaut), drei Headsets, sowie einer im RTW fest verbauten Kamera mitsamt entsprechenden Fahrzeugrouter zusammen. Das System ist in vielerlei Hinsicht redundant aufgebaut. So sind in dem Fahrzeugrouter beispielsweise vier SIM-Karten von unterschiedlichen Netzanbietern verbaut – das Geräte sucht sich dabei immer das Netz mit der besten Qualität aus. Und sollte die Technik mal gänzlich versagen, kann die TNA-Zentrale immer noch über das private Smartphone der Fahrzeugbesatzung oder ggf.  sofern vorhanden über das Festnetztelefon an der Einsatzörtlichkeit erreicht werden.

 

Das Ziel auf langer Sicht – genauer gesagt im Projektzeitraum der nächsten sieben Jahre – soll es sein, alle rund 180 Rettungstransportwagen in der Trägergemeinschaft mit der TNA-Technik auszustatten und diese an die TNA-Zentrale Münster anzubinden. Dass die Rettungswache Ochtrup nun mit zu den ersten Kräfte im Kreis Steinfurt gehört, die dieses System in der Praxis erproben dürfen, erfüllt die Wachmannschaft mit großem Stolz und man ist gespannt, welche Eindrücke und Erfahrungen man in der nächsten Zeit mit dem TNA auf den Straßen der Töpferstadt sammeln wird…

 

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