Ein historisches i-Tüpfelchen…

Nachbau des ehemaligen Glockenturms montiert...

Für die meisten Schülerinnen und Schüler fällt das Ertönen dieses Geräusches seit jeher wahrscheinlich unter die Rubrik “Fluch und Segen zugleich.” Gemeint ist hiermit der berühmt berüchtigte Klang der Schulglocke, welche den Beginn und das Ende des Unterrichts verkündet. Die früheren Glocken und Schellen gehören mittlerweile der Vergangenheit an und wurden durch digitale Gebäudesprechanalgen in den heutigen Schulgebäuden ersetzt. Doch ein Spruch wird sich gewiss nie ändern – “Der Lehrer/in beendet die Stunde” … 

 

Auch die im Jahre 1911 bis 1912 errichtete Rektoratschule an der Professor-Gärtner-Straße – die spätere Pestalozzi-Schule – besaß eine Schulglocke, welche in diesem Fall auf dem Dach des Gebäudes in einem gesonderten “Glockenturm” untergebracht war. Doch wirft man einen Blick zurück in die Vergangenheit, so verrät einem die Geschichte schnell, dass das Vorhandensein einer eigenen Schulglocke in den vorherigen Jahrhunderten gar nicht selbstverständlich war.

 

Denn eigentlich kannte man vor dem 19. Jahrhunderte hierzulande noch keine Schulglocken. Damals klatschte der Lehrer noch in die Hände oder war als Küster unterwegs und läutete mit den Kirchenglocken den Unterricht an. Denn vielerorts waren die Lehrer zusätzlich noch als Küster tätig, um ihr schmales Gehalt aufzubessern. Sie waren somit unter anderem auch für das Läuten der Kirchenglocken zuständig und fungierten als Wächter über die Uhrzeit eines ganzen Ortes.

Die Personalunion von Küster und Lehrer begann sich dann aber Anfang des 19. Jahrhunderts aufzulösen. Und auch die Erfindung der Taschenuhr veränderte alles, da nunmehr jeder wissen konnte, wie spät es war. Erst 1870 sah der preußische Staat Schulglocken als wünschenswert für die Volksschulen an, dessen ganzflächige Einführung aber knapp 40 Jahre auf sich warten ließ, da die Kosten durch die Städte und Gemeinden selbst getragen werden sollten. Und somit kam es dazu, dass der damalige Architekt Hubert Holtmann aus Münster den Auftrag erhielt, die Errichtung einer Schulglocke in bzw. am Gebäude der künftigen Rektoratschule mit einzuplanen.

 

Viele Jahre hat die damalige Glocke treue Dienste geleistet, bevor sie – so spekuliert man – aller Wahrscheinlichkeit im Zuge des Zweiten Weltkrieges aufgrund des Metallmangels eingezogen wurde. Der Glockenturm bzw. das Glockenhäuschen an sich blieb jedoch bis Anfang der 2000er-Jahre auf dem Dach des Gebäudes bestehen. Erst in den Jahren um 2005 entfernte die Stadt Ochtrup das Türmchen, aufgrund der maroden Holzkonstruktion und der fehlenden Indikation zum Erhalt bzw. zur Reparatur. 

Im Zuge der Restaurierung des Rektoratsgebäude und der Angliederung an das neue Feuerwehrgerätehaus forderte das Denkmalamt die Rekonstruktion des Glockenturms. Die Zimmerei & Holzbau GmbH Guido Oevermann aus Neuenkirchen-Vörden fertigte eigens hierfür auf Basis alter Fotografien eine Imitation des ehemaligen Glockenturms aus Holz an.

 

Pünktlich um 9 Uhr traf am heutigen Dienstag der zu Montage bestellte Langarmkran an der Baustelle ein. Zusammen mit den Dachdeckern und Zimmermannsleuten wurde der nachgebaute Glockenturm auf seine frühere Position angebracht. Eine Glocke enthält der Turm zur Beruhigung aller umliegenden Anwohner jedoch nicht. Er soll letztlich die Restauration des Gebäudes vollenden und die ehemalige Rektoratschule wieder in ihrem altbekannten Glanz erstrahlen lassen – ein richtiges i-Tüpfelchen halt…